Entwicklung und Zustand der offenen Jugendarbeit in der Stadt Bremen

Klima_EnqueteTuncelKinder und Jugend

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Die Förderung und Bereitstellung von Maßnahmen der offenen Jugendarbeit gehört zu den Aufgaben, zu denen deutsche Kommunen gesetzlich verpflichtet sind. Grundlage dafür ist § 11 SGB VIII in Verbindung mit § 79 Abs. 2 SGB VIII. Dort wird geregelt, dass Jugendarbeit eine verpflichtende Jugendhilfeleistung ist, den Kindern und Jugendlichen sind die erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen. § 12 SGB VIII legt fest, dass auch die inhaltlich verwandte „Förderung der Jugendverbände“ zu den gesetzlichen Aufgaben gehört, die in angemessenem Rahmen finanziell gefördert werden müssen.

Schwierig ist dabei, zu beurteilen, ob die vorhandenen Angebote in ausreichender Breite und Qualität zur Verfügung gestellt werden. Die Gewährleistungspflicht der Kommunen wird üblicherweise anhand von sechs Faktoren definiert: „(1) rechtzeitige Bereitstellung der (2) erforderlichen und (3) geeigneten Einrichtungen und Dienste in (4) pluraler Breite, deren (5) ausreichende Personalausstattung und deren (6) ausreichende Finanzausstattung“ (Emmanuel, 2011)1. Dabei genügt es nicht, wenn Verwaltung und Ressort die vorhandenen Angebote als „ausreichend“ bewerten. Sie müssen dies belegen können. Zur inhaltlichen Kontrolle ist es gesetzlich vorgeschrieben, eine Jugendhilfeplanung zu erstellen (§80 SGB VIII). Damit sollen Zielkategorien und Qualitätskriterien operationalisiert werden, die zur Erfüllung des gesetzlichen Auftrags erreicht werden sollen. Zudem ist laut §5 des bremischen Ausführungsgesetzes zum KJHG einmal pro Legislaturperiode ein Jugendhilfebericht vorzulegen, der aufzeigt, wie gut die aktuelle Kinder- und Jugendarbeit diese Aufgaben umsetzt.

In Bremen ist auch in dieser Legislaturperiode erneut weder Jugendhilfeplanung noch Jugend-hilfebericht vorgelegt worden. Weiter unten wird danach noch einmal gezielt gefragt. Damit muss weiter offenbleiben, ob die bremische offene Jugendarbeit die gesetzlich gebotene Qualität erreicht oder verbessert werden muss. Klar ist, dass es eine Reihe von gesell-schaftlichen Akteur*innen gibt, die auf eine Verbesserung insbesondere der finanziellen Ausstattung drängen – sowohl aus den Reihen der Mitarbeiter*innen im Feld, der Träger und ihrer Dachorganisationen, aber auch aus den Reihen der Ortsbeiräte, die zu den letzten Haushaltsverhandlungen eine Vielzahl von konkreten und begründeten Haushaltsanträgen auf zusätzliche Fördermittel im Bereich der offenen Jugendarbeit eingereicht haben.
1 Emanuel M.: „Freiwillige Leistung oder Pflichtaufgabe? 20 Jahre Missverständnisse in der Praxis über Leistungsansprüche aus dem SGB VIII“, ZKJ Kindschaftsrecht und Jugendhilfe 6/2011, S.207-211 Ziel dieser Anfrage ist es, eine Reihe von Informationen abzufragen, die nach unserer Vorstellung dazu beitragen können, die Lage der offenen Jugendarbeit in Bremen zu beurteilen. Bei der Gelegenheit werden wir auch einige Kennziffern für die Jugendverbandsarbeit abfragen.

A. Entwicklung der Ausgaben für offene Jugendarbeit seit 2001
Nach unseren Informationen unterlagen die Ausgaben für offene Jugendarbeit seit den 80er Jahren, zumindest aber seit 1995, fortgesetzten Kürzungen. Im Jahr 2000 trat das „Anpass-ungskonzept für die bremische Kinder- und Jugendförderung“ in Kraft, welches eine weitere Kürzung der aufgewendeten Mittel zum Ziel hatte. Ab 2005 wurden die vormals städtisch betriebenen Jugendfreizeitheime in die Hände privater Träger gegeben. In den folgenden Jahren gab es nach unseren Kenntnissen 2010 und dann wieder ab 2016 nennenswerte Erhöhungen im Bereich der offenen Jugendarbeit. In den dazwischen liegenden Jahren wurden die Ausgaben konstant gehalten und damit einer konstanten „Kalten Kürzung“ durch Inflation unterworfen. Die folgenden Fragen sollen die Entwicklung der Ausgaben für offene Jugendarbeit aufzeigen. Da der früheste elektronisch zugängliche Haushalt derjenige von 2001 ist, legen wir im Folgenden diese Jahreszahl als Ausgangspunkt zugrunde. Wir bitten zur Beantwortung der folgenden Fragen jeweils um die Angaben der Jahre 2001, 2009, 2015 und 2018.

Wir fragen den Senat:

1) Welche Ausgaben wurden in den Jahren 2001, 2009, 2015 und 2018 speziell für Jugendfreizeitheime getätigt? 2
2) Welche Ausgaben wurden in den Jahren 2001, 2009, 2015 und 2018 für Stadtteilmittel der offenen Jugendarbeit getätigt?
3) Welche Aufgaben neben Jugendfreizeitheimen und Stadtteilmitteln werden noch mit Ausgaben im Bereich der offenen Jugendarbeit finanziert, und welche Ausgaben wurden in den Jahren 2001, 2009, 2015 und 2018 für diese Aufgaben getätigt?
4) Wie groß waren demnach die Gesamtausgaben für offene Jugendarbeit nach § 11 SGB VIII in den Jahren 2001, 2009, 2015 und 2018?
5) Welche Ausgaben wurden in den Jahren 2001, 2009, 2015 und 2018 für Jugendverbandsarbeit nach § 12 SGB VIII getätigt?
Ausgaben im Verhältnis zu der Grundgesamtheit der Jugendlichen. Die Angebote der Jugendhilfe sollen allen Jugendlichen zur Verfügung stehen. Es ist daher sinnvoll, die ausgegebenen Mittel auf die Anzahl Jugendlicher umzurechnen. Eine entsprechende Kennzahl mit 2001: Kapitel 3445 sowie alle Arbeitnehmer*innen, die speziell Jugendfreizeitheimen zugeordnet waren; spätere Jahre entsprechend Insbesondere „Ausgaben für freie Träger für stadtteilbezogene Kinder- und Jugendarbeit“ (Kapitel 3431, 684 80-1 261) der Kennziffer „41-G-03“ und dem Titel „Jugendarbeit: Gesamtausgaben (§§ 11 und 12 SGB VIII SGB) je 1.000 Jugendeinwohner/-innen“ wurde im Benchmarkbericht 2009 berichtet, in späteren Benchmarkberichten nicht mehr4. In diesem Zusammenhang bitten wir um folgende Auskünfte.
6) Wie viele jugendliche Einwohner*innen hatte Bremen 2001, wie viele hat es heute (neueste verfügbare Zahl)? Wir bitten hier auch um eine Berücksichtigung von jugendlichen Geflüchteten, die ab 2015 verstärkt nach Bremen gezogen sind.
7) Welche Ausgaben wurden pro jugendlicher Einwohner*in für offene Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit im Jahr 2001 getätigt, welche Ausgaben im Jahr 2018?
8) Hat der Senat Erkenntnisse über neuere Vergleichsdaten wie im oben genannten Benchmarkbericht 2009 über aktuelle Ausgaben der offenen Jugendarbeit und -Verbandsarbeit in anderen Kommunen oder Bundesländern, insbesondere in Berlin und Hamburg? Wir bitten um Mitteilung der entsprechenden Zahlen.
9) Wie viele Jugendliche nehmen Leistungen von Jugendfreizeitheimen und Jugendverbandsarbeit wahr (bitte getrennt aufführen)? Wieviel Prozent der Gesamtzahl der Jugendlichen ist das? Bitte getrennt für 2001 (soweit vorhanden) und 2018 (oder neueste Zahl) ausweisen.
Berücksichtigung der Inflation. Zur Bewertung der Ausgabenentwicklung ist neben der gestiegenen Anzahl der jugendlichen Einwohner*innen vor allem die Inflation zu berück-sichtigen, die dazu führt, dass für die gleiche Leistung (wie die Bereitstellung eines Jugend-freizeitheims) zunehmend mehr Geld ausgegeben werden muss. Nach unserer Kenntnis beträgt die kumulierte Inflation vom Jahr 2001 bis zum Jahr 2018 27,5 Prozent. Der TV-L als maßgeblicher Tarifvertrag stieg in dieser Zeit um 34,5 Prozent. Zur Erstellung eines vernünftigen Schätzwertes schlagen wir die Annahme vor, dass die Kosten in der offenen Jugendarbeit zur Hälfte auf Personalausgaben zurückzuführen sind. Dann resultiert für die Kaufkraft im Jugendarbeitsbereich 2018 im Vergleich zu der Kaufkraft 2001 eine mittlere „Jugendarbeit-Inflation“ von ca. 31 Prozent. Anders gesagt: Wenn der Einsatz von 100 Euro 2001 eine bestimmte Leistung im Bereich der offenen Jugendarbeit erbrachte, sind 2018 für die gleiche Leistung etwa 131 Euro notwendig. Wenn der Senat hier andere Werte berechnet, bitten wir um den entsprechenden Rechenweg, ansonsten bitten wir darum, im Folgenden diese gemittelte Inflationsquote zu verwenden. Anhand dieser Inflationsquote können die die in Frage 1 bis 5 ermittelten Kennwerte vergleichbar gemacht werden.
10) Wir bitten um eine Gegenüberstellung der Ausgaben 2001 im Vergleich zu 2018 in folgender Form.
4 Die im Benchmarkbericht 2009 berichteten Ausgaben von 23,50 € pro 1000 Jugendlichen können aber nicht stimmen. Bei 49.000 Jugendlichen im Alter zwischen 10 und 20 wären damit im Jahr 2007 für die komplette Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit nur 1151,50 € ausgegeben worden.
Mittel für:
a) Ausgaben 2001
b) Ausgaben 2018
c) Ausgaben 2018 angepasst an Inflation5
Vergleich c) mit a) in Prozent6
a) Jugendfreizeitheime
b) Stadtteilmittel
c) Freizis & Stadtteilmittel zusammen
d) weitere Ausgaben § 11 SGB VIII
e) § 11 SGB VIII gesamt
f) Jugendverbandsarbeit § 12 SGB VIII
Mit Hilfe der vorgeschlagenen Berechnung lassen sich die staatlicherseits getätigten Ausgaben für offene Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit der Jahre 2001 und 2018 direkt miteinander vergleichen.
11) Wie stellen sich die inflationskorrigierten Ausgaben in der offenen Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit im Jahr 2018 im Vergleich zu den entsprechenden Ausgaben im Jahr 2001 dar?
12) Um welchen Betrag müssten die Ausgaben für offenen Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit im Jahr 2018 erhöht werden, um inflationskorrigiert den Ausgaben im Jahr 2001 zu entsprechen?
Vergleich zur Entwicklung der Ausgaben im Bereich der Jugendhilfe. Um die Ausgabenentwicklung im Bereich der offenen Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit angemessen beurteilen zu können, bietet es sich an, sie in Bezug zu den Ausgaben im Bereich der ebenfalls im SGB VIII festgelegten Jugendhilfe (ambulante und stationäre Hilfen zur Erziehung) zu setzen. Diese Ausgaben sind seit 2001 deutlich gestiegen. Auch hier ist allerdings der Einfluss der Inflation zu berücksichtigen. Wir schlagen auch hier zum Vergleich der Jahre 2001 und 20018 die von uns kalkulierten 31 Prozent „Jugendarbeits-Inflation“ vor. Wenn der Senat zu anderen Werten gekommen ist, bitten wir darum, im Folgenden diese zu verwenden.
5 Zu berechnen mit Ausgaben 2018/Inflationsfaktor 1,31
6 Zu berechnen mit (c) / a))*100
13) Wir bitten um eine Aufstellung für die Ausgaben für ambulante und stationäre Hilfen zur Erziehung SGB VIII7 im Jahr 2001 sowie im Jahr 2018. Zur besseren Vergleichbarkeit bitten wir um die Darstellung in der gleichen Form wie die Antwort auf Frage 10.
Produktgruppe
a) Ausgaben 2001
b) Ausgaben 2018
c) Ausgaben 2018 angepasst an Inflation - Vergleich c) mit a) in Prozent
Hilfen zur Erziehung - ambulant - stationär Jugendhilfe gesamt
14) Wie stellen sich die inflationskorrigierten Ausgaben im Bereich „Hilfen zur Erziehung“ des Jahres 2018 im Vergleich zu den entsprechenden Ausgaben im Jahr 2001 dar?
Der Vergleich zwischen den Ausgaben für die offene Jugendarbeit und die Jugendhilfe ist deswegen relevant, weil die Ausgabenhöhe der offenen Jugendarbeit vom Gesetzgeber in ein Verhältnis zu den Ausgaben der Jugendhilfe gesetzt wird. § 79 Abs. 2 SGB VIII schreibt vor:
„Von den für die Jugendhilfe bereitgestellten Mitteln haben sie [die staatlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe] einen angemessenen Anteil für die Jugendarbeit zu verwenden“.
Das heißt, vom Wortlaut des Gesetzes her ist die Entwicklung der Ausgaben für die Jugend-arbeit in gewissem Rahmen an die Entwicklung der Ausgaben zur Jugendhilfe zu koppeln. Das Berliner KJHG legt in § 45 Abs. 2 Satz 4 fest: „Der nach § 79 Abs. 2 des Achten Buches Sozialgesetzbuch angemessene Anteil für die Jugendarbeit hat mindestens 10 vom Hundert der für die Jugendhilfe bereitgestellten Mittel zu betragen.“ Die Bundestagskommission zur Erstellung des 11. Kinder- und Jugendberichts (2002) hielt sogar einen Anteil der Mittel für die Kinder- und Jugendarbeit von mindestens 15 % für erforderlich10.
15) Wir bitten um eine Aufstellung der gesamten Ausgaben für Hilfen zur Erziehung einerseits und für die offene Jugendarbeit andererseits, getrennt für 2001 und 2018, sowie jeweils ein Vergleich der beiden Ausgaben in Prozent in folgender Form:
(Produktgruppenplan 41.01.03 und 41.01.04)
Zu berechnen mit Ausgaben 2018/Inflationsfaktor 1,31
Zu berechnen mit (c) / a))*100
BT-Dr. 14/8181, S. 203
2001 - 2018 Jugendhilfe (Gesamt), Offene Jugendarbeit
Anteil „offene Jugendarbeit“ zu „Jugendhilfe“ in Prozent
Wir fragen:
16) Lag der Anteil der Ausgaben für die offene Jugendarbeit in den Jahren 2001 bzw. 2018 im Rahmen der von Fachleuten geforderten Höhe von 10 bis 15 Prozent?
17) Wie beurteilt der Senat die Veränderung des Anteils? Ist der Senat der Auffassung, dass diese Aufgabengebiete nach wie vor einen angemessenen Anteil der Gesamtausgaben für Jugendliche zugewiesen bekommen?

B. Entwicklung der angebotenen Leistungen in der offenen Jugendarbeit
Ab 2005 wurden die vormals städtischen Jugendfreizeitheimen in die Hände von gemeinnützigen Trägern überführt. Den Trägern wurden dabei die vormals bei der Stadt angestellten Mitarbeiter*innen in den Jugendfreizeitheimen zugewiesen und weiterfinanziert und eine faire Übernahme der sonstigen Kosten versprochen. Gefordert war jedoch von vornherein die Einwerbung von Projektmitteln. Zugleich sollten durch die Einrichtung der Controlling-Ausschüsse auch die Beiräte vor Ort eingebunden werden, da diese „ja am besten wüssten, was die Jugend vor Ort braucht“. Das Ganze wurde auch unter der Maßgabe in der Bürgerschaft beschlossen, dass durch diese Auslagerung der Jugendfreizeitheime die PEP-Quote nicht fortgeführt werden müsse und überhaupt dem Bereich der offenen Jugendarbeit Mittel gesichert werden könnten.

In der Folge wurden die Ausgaben über Jahre konstant gehalten und damit aufgrund der Inflation einer kalten Kürzung unterworfen. Gleichzeitig konnten das Ressort, aber auch die Deputierten und Abgeordneten, die Verantwortung für die tatsächliche Ausgestaltung der Jugendarbeit an die Träger und die Beiräte abgeben und damit ein System des „Teile und Herrsche“ installieren. Dieses beruht zum Teil auf der Konkurrenz der Träger untereinander: große Träger sind in gewissem Rahmen bereit, ihre offenen Jugendarbeitsprojekte querzufinanzieren. Kleine Initiativen setzen zum Teil auf Selbstausbeutung der pädagogischen Mitarbeiter*innen, auf Freiwilligenarbeit und Injobs. Alle Beteiligten treiben einen hohen Planungsaufwand, um zusätzliche Mittel über Projektförderung, Spenden oder durch Vermietung von Jugendfreizeitheimen als Partyraum an Land zu ziehen. Beiräte und WiN-
11 Vgl. Plenarprotokoll 18/16 ab S. 644 ff.

Gebiete geben notgedrungen Mittel aus ihrem Budget dazu, um wichtige Projekte im Stadtteil am Leben zu halten. An die Träger wird seitens des Ressorts der Anspruch gerichtet, Tarifsteigerungen aus Eigenmitteln zu finanzieren. Andererseits hat das Ressort und die Bürgerschaft als Haushaltsgesetzgeber die intensiven Bemühungen der Mitarbeiter*innen, Träger und Beiräte um eine angemessene Ausstattung der in den CAs zu verteilenden Mittel weitgehend ignoriert. Die Übertragung der vormals kommunal getragenen Regelaufgabe in einen sozialen „Markt“ mit lokal verantwortlichen Beiräten, Trägern und Mitarbeiter*innen hat also zu folgender Situation geführt: die Stadt konnte nach und nach den Geldhahn zudrehen und sich gleichzeitig darauf verlassen, dass die nun verantwortlichen Akteur*innen im Stadtteil alle Hebel in Bewegung setzen, um irgendwie die Projekte am Laufen zu halten, damit die Bedarfe der Jugendlichen an offener Jugendarbeit wenigstens ansatzweise aufrechterhalten werden können. Fraglich ist, ob diese Vorgehensweise für die Erfüllung einer gesetzlich gebotenen sozialen Aufgabe der Kommune die angemessene Methode ist – im Umgang mit den Mitarbeiter*innen vor Ort, mit den Trägern, mit den Beiräten und nicht zuletzt mit den Jugendlichen, die ein Recht auf diese Angebote haben.

Vor diesem Hintergrund stellen wir die folgenden Fragen:

Entwicklung Jugendfreizeitheime
18) Wie viele Jugendfreizeitheime gab es in Bremen 2001? Wie viele gibt es heute? Welche Heime haben zwischenzeitlich geschlossen, welche sind neu eröffnet worden?
19) Wie viele Sozialpädagog*innen (VZÄ) haben 2001 in den Jugendfreizeitheimen gearbeitet? Wie viele Sozialpädagog*innen (VZÄ) arbeiteten 2018 in den Jugendfreizeitheimen? Wie viele von diesen sind aus stetigen Mitteln finanziert, wie viele sind durch Projektmittel finanziert?
20) Wie viele Jugendzentrumsmitarbeiter*innen insgesamt arbeiteten 2001 in den Bremer Jugendfreizeitheimen (in VZÄ). Wie viele waren es 2018?

Entwicklung andere Initiativen
21) Wie viele Initiativen, Projekte, Jugendclubs etc. gab es 2001 im Bereich der offenen Jugendarbeit, und welcher Teil der Stadtteilmittel wurde für diese Initiativen jenseits der Jugendfreizeitheime ausgegeben? Wie viele Initiativen, Projekte, Jugendclubs etc. waren es 2018, und welcher Teil der Stadtteilmittel entfiel 2018 auf sie?
22) Wie viele Mitarbeiter*innen (VZÄ) arbeiteten 2001 im Rahmen dieser Initiativen, Projekte und Jugendclubs, wie viele waren es 2018?
Anteil anderer Finanzierungen in der offenen Jugendarbeit
23) Welcher Anteil der gesamten Finanzmittel, die den Jugendfreizeitheimen in Bremen 2018 zur Verfügung standen, stammte aus eingeworbenen Projekten, die aus den Stadtteilmitteln für offene Jugendarbeit finanziert wurden? Welcher Anteil der Finanzmittel stammte aus anderen Stadtteilmitteln (Globalmittel der Beiräte, WiN-Förderungsmittel)? Welcher Anteil stammte aus anderen eingeworbenen Projektmitteln (EU-Programme, Bundesmittel, Stiftungsmittel etc.)? Welcher Anteil ging auf Eigenmittel der Träger und selbsterwirtschaftete Einnahmen der Jugendfreizeitheime (Vermieten des Jugendzentrums als Partyraum etc.) zurück?
24) Wie wird es seitens des Senats begründet, dass von Trägern ein Eigenbeitrag für die Erledigung einer originär staatlichen Aufgabe erwartet wird?
25) Wie viele Anträge auf Erhöhung der Mittel für offene Jugendarbeit wurde von den Ortsbeiräten im Zuge der Haushaltsaufstellung 2018/2019 an das Sozialressort gerichtet, und wie hoch war die beantragte Erhöhung der Mittel zusammengenommen?

Prekäre Beschäftigung
26) Wie viele Arbeitsstellen (VZÄ) gab es insgesamt 2018 in der offenen Jugendarbeit?
27) Wie viele dieser Mitarbeiter*innen sind prekär beschäftigt (Zeitarbeitsvertrag, Honorarkraft, Injobs)? Wie viele arbeiten zu einem Niedriglohn von unter 12 € Brutto-Stundenlohn?
28) Welcher Anteil der qualifizierten Kräfte (Sozialpädagog*innen u. ä.) arbeitet untertariflich bezahlt?
29) Soweit darüber Daten vorhanden sind, bitten wir auch um die Mitteilung der den Fragen 26, 27 und 28 entsprechenden Angaben für 2001.
30) Kann der Senat die Einschätzung treffen, dass der Anteil der prekären Beschäftigung im Bereich der offenen Jugendarbeit seit 2001 erheblich zugenommen hat?
31) In den Vereinbarungen mit den Trägern werden diese verpflichtet, das „Fachkräftegebot“ zu erfüllen, also eine Anzahl von qualifizierten Mitarbeiter*innen einzustellen. Zugleich werden Anforderungen gestellt, welche Öffnungszeiten die Jugendfreizeit-heime mindestens vorhalten müssen. Bekommen alle Träger der Jugendfreizeitheime genügend Mittel zugewiesen, um die geforderten Mitarbeiter*innen für die geforderte Zeit auch tarifgerecht zu bezahlen? Falls nicht: wie viele Jugendfreizeitheime erhalten unzureichende Mittel?
32) Welche unterschiedlichen Maßnahmen treffen die Träger, um die Differenz zwischen Förderbetrag und Fachkräftegebot und Stundenverpflichtung zu überbrücken?
33) Wie steht der Senat zu der Idee, analog zu der bei Kindertagesstätten stattfindenden automatischen Anpassung der Zuwendungen an Tariferhöhungen des TVöD auch eine automatische Anpassung der Lohnanteile der Zuwendung an Träger der offenen Jugendarbeit vorzunehmen?

Übernahme von investiven Ausgaben
34) Sind notwendige Investition in die Ausstattung der Jugendfreizeitheime, Jugendclubs etc. nach Auffassung des Senats von der Kommune oder auch zu relevanten Teilen von den Trägern aufzubringen?
35) Welchen Anteil der Investitionskosten sollen die Träger beisteuern (z. B. beim Anbau einer Rollstuhlfahrer*innenrampe o. ä.)?
36) Welche Investitionsbedarfe sieht der Senat bei der Innenausstattung und Gebäuderenovierung der Jugendarbeitseinrichtungen?
37) Hält der Senat die in den letzten Jahren vorgehaltenen investiven Mittel für ausreichend?
Zunehmender Anteil der Bürokratie auf Kosten der Jugendarbeit
38) Wir bitten um eine überschlagsmäßige Einschätzung des Ressorts, welcher Anteil der Arbeitszeit der Mitarbeiter*innen in den Bremer Jugendfreizeitheimen nicht aus sozialpädagogischer Arbeit, sondern aus bürokratischen Verwaltungs- und Planungsaufgaben (insbesondere in Bezug auf die Beantragung, Durchführung und Abrechnung von Projektmitteln etc.) bestand. Teilt das Ressort die Einschätzung, dass dieser Anteil der Arbeit 2001 erheblich geringer war?

Zeitverzögerungen im bürokratischen Ablauf
39) Die Jugendfreizeitheime und weitere Initiativen und Projekte werden als Zuwendungsempfänger von Kalenderjahr zu Kalenderjahr finanziert. Häufig ergeht der Zuwendungsbescheid erst im Februar des jeweiligen Jahres, manchmal auch erst im April oder Mai. Ist es zutreffend, dass durch diese Verzögerung im bürokratischen Ablauf die betroffenen Träger ihre monatlichen Unkosten (Miete, Gehälter) aus eigener Tasche vorfinanzieren müssen und Projekte im Frühjahr regelmäßig ausfallen?
40) Stellt dies nach Auffassung des Senats ein Problem dar? Was müsste passieren, damit die ganz überwiegende Menge an Zuwendungsbescheiden bereits im Dezember des Vorjahres ergehen können und damit die Träger keine monatelange Unterbrechung der Finanzierung überbrücken müssen?
Zur Jugendverbandsförderung
41) Wie viele ReferentInnen-Stellen werden 2018 von den Mitteln für Jugendverbands-förderung finanziert (Wie viele Personen, welche VZ-Äquivalente)? Wie viele waren es 2001 (soweit bekannt)?

C. Nicht erfüllte Vorgaben aus Gesetzen und Bürgerschaftsbeschlüssen
Die momentanen Richtlinien für die offene Jugendverbandsarbeit (“Rahmenkonzept“) sind 2014 vom Landesjugendhilfeausschuss ausgearbeitet und 2015 von der Bürgerschaft beschlossen worden (Drs. 18/665 S). Dieses Rahmenkonzept enthält insbesondere drei Anfor-derungen an die offene Jugendarbeit, die bis heute nicht erfüllt worden sind. Im Folgenden werden diese dargestellt, nach den Gründen gefragt, weshalb die Anforderungen nicht eingehalten worden sind, und gefragt, ob und wann in der Zukunft mit ihrer Verwirklichung zu rechnen ist.

Stadtzentrale Mittel.
Dadurch, dass die Mittel der offenen Jugendarbeit ausschließlich über die Stadtteile vergeben werden, ist die Finanzierung von spezifischen Angeboten schwierig, die Jugendliche aus mehreren Stadtteilen oder stadtweit ansprechen. Dieses Problem wurde im „Rahmenkonzept“ adressiert und Abhilfe über die Einrichtung von „Stadtzentralen Mitteln“ gefordert. Diese Anforderung wurde in den vergangenen Haushaltsjahren aber nicht umgesetzt. Bekanntermaßen konnten als Folge eine Reihe von stadtweit attraktiven Angeboten nur unzureichend ausgestattet werden.

Dazu fragen wir:


42) Hält der Senat die Einrichtung von „stadtzentralen Mitteln“ für sinnvoll, wünschens-wert und notwendig? Weshalb konnte diesem durch Beschluss der Bürgerschaft untermauerten Anspruch nicht gefolgt werden? Ist geplant, dies im nächsten Haushalt zu verwirklichen?
Nachwuchsförderung. Laut Recherchen in den Jugendfreizeitheimen werden viele Mitarbeiter*innen in absehbarer Zeit in Rente gehen. Damit verbunden weisen die Jugendfreizeitheime auf Probleme hin, rechtzeitig neue und qualifizierte Mitarbeiter*innen zu gewinnen. Zu diesem Problemkomplex bitten wir um Beantwortung der folgenden Fragen:
43) Welche Altersstruktur weisen die fest angestellten Mitarbeiter*innen der Bremer Jugendfreizeitheimen aktuell auf? Wie groß ist der Anteil, der in den nächsten 10 Jahren voraussichtlich in Rente gehen wird?
Im „Rahmenkonzept“ wird zur Förderung des Fachkräftenachwuchses gefordert, pro Jahr etwa 6 bis 8 Stellen in der offenen Jugendarbeit für Sozialpädagog*innen im Anerkennungs-jahr zu finanzieren. Vor der Privatisierung der Jugendfreizeitheime wurden die tariflichen Personalkosten für die Ausbildung von Anerkennungspraktikant*innen in diesen Einrichtungen durch die Senatorin für Finanzen getragen. Wir fragen:
44) Hält der Senat die geforderte Finanzierung von Sozialpädagog*innen im Anerkennungsjahr für sinnvoll, wünschenswert und notwendig? Weshalb konnte diese Anforderung in der vergangenen Legislaturperiode nicht umgesetzt werden? Ist geplant, dies im nächsten Haushalt zu verwirklichen?
Fehlende Jugendhilfeplanung und Jugendhilfebericht. Wie bereits eingangs angesprochen, sind auch in dieser Legislaturperiode bislang weder Jugendhilfeplanung (gemäß §80 SGB VIII) noch Jugendhilfebericht (gemäß §5 des bremischen Ausführungsgesetzes zum KJHG) vorgelegt worden. Dabei ist die Anfertigung dieser beiden Vorlagen gesetzlich vorgeschrieben. Zudem werden sie auch im gültigen „Rahmenkonzept Jugendarbeit“ explizit eingefordert:
„Das Gebot von SGB VIII und BremKJFFöG , einen angemessenen Anteil von den Gesamtausgaben der Kinder- und Jugendhilfe für die Jugendarbeit bereitzustellen, ist solange wirkungslos, wie Zielkategorien und Qualitätskriterien nicht in ausreichend operationalisierter Form vorliegen (S. 32).“
Zudem hatte die Bremische Bürgerschaft am 24.11.2015 auch noch einen Antrag (Drucksache 19 / 40 S) beschlossen, in dem der Senat aufgefordert wird, eine Jugendhilfeplanung nach §80 SGB VIII zu entwickeln, auch unter Hinzuziehung externer Gutachter*innen, und gemeinsam mit einem Kinder- und Jugendbericht bis Juni 2017 vorzulegen. Frau Senatorin Stahmann hatte in der Bürgerschaftsdebatte angekündigt, einen solchen Bericht im Laufe der Legislaturperiode von externen Fachleuten erstellen zu lassen.
45) Wie weit ist die 2015 angekündigte Erstellung eines externen Gutachtens zur Jugendhilfeplanung sowie des Kinder- und Jugendberichts gediehen? Ist absehbar, wann sie vorgelegt werden können? Falls nicht: warum wurden die gesetzlichen Vorgaben, die Vorgaben des Rahmenkonzepts und der explizite Beschluss der Bürgerschaft nicht umgesetzt?
46) Die gesetzliche Vorschrift zur regelmäßigen Anfertigung eines Jugendhilfeplans ist seit 1990 geltendes Bundesrecht. Gab es in Bremen seitdem überhaupt schon mal einen oder mehrere solcher Jugendhilfepläne? In dem Fall bitten wir darum, die letzte Ausgabe als Anhang zur Verfügung gestellt zu bekommen.
47) Seit wann wird im Bremer KJHG ein Jugendhilfebericht vorgesehen? Gab es in Bremen seitdem überhaupt schon mal einen oder mehrere solcher Jugendhilfe-berichte? In dem Fall bitten wir darum, die letzte Ausgabe als Anhang zur Verfügung gestellt zu bekommen.
48) Teilt der Senat die Auffassung, dass die Erarbeitung eines Jugendhilfeplans und eines Jugendhilfeberichts unabdingbare Voraussetzung für Ausbau und Ausgestaltung der Bremischen Jugendarbeit ist, die anhand von fachlichen und qualitativen Kriterien auf ihre Angemessenheit zu überprüfen ist?

Cindi Tuncel, Sofia Leonidakis, Kristina Vogt und Fraktion DIE LINKE