Europäischen Jugendaustausch stabilisieren

Durch die Ausbreitung des Coronavirus ist der Jugendaustausch inner- wie außerhalb Europas zum Erliegen gekommen. Innerhalb der vielfältigen Trägerlandschaft des internationalen Jugendaustauschs sind hiervon gemeinnützige Austauschorganisationen besonders betroffen. Während Gruppenaustausche an Schulen in der Regel verschoben werden und in den meisten Fällen eine Förderung zu einem späteren Zeitpunkt möglich ist, bedroht die Krise die gemeinnützigen Austauschorganisationen in ihrer Existenz. Sie finanzieren sich neben Spenden zum Großteil über Teilnahmebeiträge oder mit der Teilnahme verbundene Förderungen, die krisenbedingt wegbrechen während Fixkosten weiterlaufen. Bisherige Soforthilfen greifen für die nicht-gewinnorientieren Organisationen häufig nicht, sodass lange gewachsene Austauschstrukturen auf dem Spiel stehen. Um ein Sterben der gemeinnützigen Austauschorganisationen zu verhindern, ist ein Soforthilfefonds auf Bundesebene nötig. Dessen notwendiges Volumen wird vom Arbeitskreis gemeinnütziger Jugendaustausch (AJA) auf mindestens 25 Millionen Euro beziffert.

Unterstützung für die Austauschorganisationen in Deutschland allein wird aber nicht ausreichen, denn Austausch beruht auf Partnerschaft. Auf europäischer Ebene hat das Organisationensterben bereits begonnen. Nur mit einer gemeinsamen Anstrengung innerhalb der Europäischen Union können die gewachsenen und gut funktionierenden Strukturen im gemeinnützigen Jugendaustausch bewahrt werden. Nach der Krise bietet der Jugendaustausch die Chance, dass in den letzten Wochen und Monaten verloren gegangene Vertrauen innerhalb Europas wiederaufzubauen. Damit dies gelingt, muss ein Austausch für alle jungen Menschen unabhängig vom Bildungsweg offenstehen.

Die anstehende deutsche EU-Ratspräsidentschaft bietet die Möglichkeit, in diesem Bereich Akzente zu setzen, indem bei den Haushaltsverhandlungen auf eine deutliche Steigerung der „ERASMUS+“-Mittel hingewirkt wird, und alle Mitgliedsstaaten zum Ausbau der Austauschstrukturen angeregt werden.

Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:

Der Bürgerschaft (Landtag) stellt fest, dass der internationale Jugendaustausch grundlegend zum Zusammenhalt in Europa und zu einer demokratischen Zivilgesellschaft beiträgt. Ein wesentlicher Beitrag besteht darin, junge Menschen zu bestärken, gesellschaftliche Vielfalt zu leben und sich dafür zu engagieren. Gerade zu Beginn der Corona-Krise hat das Vertrauen in die EU und die Hilfsbereitschaft der Mitgliedsstaaten untereinander gelitten. Der Jugendaustausch kann nach der Krise einen wertvollen Beitrag leisten, um gegenseitiges Vertrauen und Verständnis wiederaufzubauen. Dazu müssen Austauschprojekte in Zukunft allen jungen Menschen unabhängig vom Bildungsweg offenstehen. Die aktuelle Krisensituation bedroht zahlreiche gemeinnützige Träger des Jugendaustauschs in ihrer Existenz. Ein Neustart für den Jugendaustausch nach der Krise kann nur gelingen, wenn die über Jahre gewachsenen Austauschstrukturen erhalten werden. Da Austausch auf Partnerschaft beruht, muss eine Perspektive für alle europäischen Austauschorganisationen geschaffen werden.

Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf,

1. sich auf Bundesebene für einen tragfähigen Rettungsschirm zugunsten gemeinnütziger Austauschorganisationen einzusetzen;
2. sich gemeinsam mit dem Bund für die Einrichtung eines europäischen Rettungsschirms zugunsten der Zivilgesellschaft einzusetzen, der auch europäische Austauschorganisationen und solche in besonders von der Krise betroffenen Staaten unterstützt;
3. sich im Rahmen der bevorstehenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft für eine Stärkung aller Formen des Jugendaustauschs auf europäischer Ebene durch Erhöhung des bisherigen „ERASMUS+“-Budgets sowie einen Ausbau der Austauschstrukturen in den einzelnen Mitgliedsstaaten einzusetzen;
4. sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass das „Erasmus+“-Programm mit ökologischen Zielsetzungen und Maßnahmen versehen und zum Programm „Green Erasmus+“ fortentwickelt wird, wie es aktuell von Europäischer Kommission und Parlament beraten wird.

Dr. Henrike Müller, Sahhanim Görgü-Philipp, Björn Fecker und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Antje Grotheer, Petra Krümpfer, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD
Cindi Tuncel, Sofia Leonidakis, Nelson Janßen und Fraktion DIE LINKE