Solidarität mit den friedlichen Protesten in Belarus

TuncelFrieden, Antifaschismus & Antimilitarismus

Die Bürgerschaft (Landtag) beobachtet mit großer Sorge die aktuellen Zustände in Belarus. Seit der Wahlfälschung bei den belarussischen Präsidentschaftswahlen am 9. August 2020 demonstrieren tausende Menschen, insbesondere mutige Frauen, friedlich für freie Wahlen, Demokratie und Freilassung politischer Gefangener in vielen Städten von Belarus. Das autokratische Regime des Machthabers Lukaschenka reagiert auf die friedlichen Demonstrationen mit brutaler Polizeigewalt, willkürlichen Verhaftungen und Entlassungen von Andersdenkenden aus ihren Beschäftigungsverhältnissen sowie der Entführung und Inhaftierung Oppositioneller. Und doch demonstrieren die Menschen weiter, lassen sich nicht einschüchtern. Die Menschen in Belarus sind nicht allein, in ganz Europa solidarisieren sich Menschen mit dem demokratischen Freiheitswillen der Belaruss*innen.

Machthaber Lukaschenka, der sich jüngst in einem bezeichnender Weise im Vorwege geheim gehaltenen Rahmen erneut zum Präsidenten hat vereidigen lassen, führt die Verfolgung der belarussischen Opposition trotz diverser europäischer Verurteilungen des brutalen Vorgehens fort. Alle Präsidiumsmitglieder des Koordinationsrats sind entweder in Haft, massiven Repressionen ausgesetzt, unfreiwillig ausgereist oder brutal außer Landes gebracht worden. Lukaschenka trägt die Verantwortung für massive Gewalt gegenüber friedlichen Demonstrantinnen und Demonstranten. Viele Demonstrierende wurden verletzt, vergewaltigt und gefoltert, mindestens zwei von ihnen kamen ums Leben.

Das brutale Vorgehen Lukaschenkas gegen die eigene Bevölkerung bedarf einer deutlichen und gemeinsamen Antwort der Europäischen Union. Belarus muss sich zu einer von den Menschen akzeptierten Demokratie entwickeln. Und klar muss sein, dass eine politische Zukunft in Belarus nur ohne Lukaschenka denkbar ist. Lukaschenka und alle, die für die unzähligen Menschenrechtsverletzungen der letzten Wochen und Monate verantwortlich sind, müssen auf die EU-Sanktionsliste gesetzt werden.

Die Europäische Union und die Bundesregierung sind aufgefordert, die demokratische Mehrheit in Belarus zu stärken. Der belarussischen Zivilgesellschaft muss geeignete zivile Unterstützung, die gewünscht und wirksam ist, zugesagt werden.

Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:

1. Die Bürgerschaft (Landtag) erkennt weder die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl vom 9. August 2020, noch Alexander Lukaschenka als legitimen Präsidenten von Belarus an und verurteilt jegliche Formen der Gewalt, Repressionen und Verhaftungen durch staatliche Behörden gegen die Bevölkerung und friedlich Demonstrierende.
2. Die Bürgerschaft (Landtag) begrüßt die geplanten Sanktionen der Europäischen Union gegen Belarus.
3. Die Bürgerschaft (Landtag) unterstützt alle Bemühungen um die demokratischen und bürgerlichen Rechte der Menschen in Belarus, die das Recht haben, in einer funktionierenden Demokratie zu leben und über ihre Zukunft selbst zu entscheiden. Die Bürgerschaft (Landtag) wertschätzt insbesondere auch die Menschen und Gruppen in Bremen, vielfach mit belarussischen Wurzeln, die in vielfältiger Art und Weise ihren Protest gegen das Regime zum Ausdruck bringen und mit ihrem Engagement Solidarität mit der belarussischen Bevölkerung üben.
4. Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf, entsprechend dieser Grundsätze und seinen bundes- und europapolitischen Möglichkeiten sich dafür einzusetzen,
a. dass die belarussische Regierung umgehend die Einhaltung der Grundwerte, Menschenrechte und Freiheiten einschließlich der Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie der Rechtsstaatlichkeit für alle Bürger*innen sicherstellt,
b. dass der Austausch mit Swetlana Tichanowskaja, den Vertreter*innen des Koordinationsrats und der belarussischen Zivilgesellschaft über weitere Schritte auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene bezüglich der Lösung der politischen Krise in Belarus fortgeführt wird,
c. dass die unverzügliche und bedingungslose Freilassung aller Oppositionellen und politischen Gefangenen, zuletzt Maria Kalesnikawa, aller zu Unrecht festgehaltenen Demonstrant*innen sowie der inhaftierten Journalist*innen schnellstmöglich erwirkt wird,
d. dass die Hintergründe über Dutzende Vermisste und unzählige Verbrechen seitens des Lukaschenka-Regimes an der eigenen Bevölkerung ggf. unter Beteiligung internationaler Organisationen aufgeklärt und strafrechtlich verfolgt werden,
e. dass ein inklusiver und transparenter nationaler Dialog zwischen dem Lukaschenka-Regime und der Opposition, u.a. Swetlana Tichanowskaja und den Vertreter*innen des Koordinationsrats, unter Beteiligung der Zivilgesellschaft und unter Vermittlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, der EU sowie den Nachbarstaaten mit dem Ziel eines friedlichen Überganges und schnellstmöglichen demokratischen Neuwahlen befördert wird,
f. dass die belarussische Regierung den Weg für wirklich demokratische und unter internationaler Beobachtung durchgeführte Neuwahlen freimacht, zu der alle Kandidat*innen für das Präsidentschaftsamt nach rechtsstaatlichen und demokratischen Prinzipien zugelassen werden,
g. dass weiteres wirtschaftspolitisches Engagement seitens der EU in Belarus an Bedingungen des Aufbaus von demokratischen und rechtsstaatlichen Strukturen geknüpft werden sollen,
h. dass eine weiterhin stabilisierende Einflussnahme und Unterstützung Lukaschenkas durch russische Kräfte nicht stattfindet. Insbesondere die Zusammenarbeit von russischen und belarussischen Sicherheitsorganen ist mit Blick auf die aktuellen innenpolitischen Prozesse in Belarus unverzüglich einzustellen.

Dr. Henrike Müller, Björn Fecker und Fraktion BÜNDNIS 90/Die Grünen
Antje Grotheer, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD
Prof. Dr. Hauke Hilz, Lencke Wischhusen und Fraktion der FDP
Dr. Thomas vom Bruch, Thomas Röwekamp und Fraktion der CDU
Cindi Tuncel, Sofia Leonidakis, Nelson Janßen und Fraktion DIE LINKE